Selbstliebe. Was ist das eigentlich?

Tags: , , , Published On: September 3rd, 20210 Comments

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Perspektiven wechseln. So entsteht Empathie.

Heute ist ein sehr gut geeigneter Tag, um über die Liebe zu sprechen, und zwar über die Liebe zu uns selbst. Ich weiß, das Wort Selbstliebe ist für die eine oder andere von euch vielleicht leicht überstrapaziert. Überall steht es, überall lesen wir es. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?

Der erste Impuls ist vielleicht zu glauben, dass Selbstliebe ein Mythos ist, also dass es sie gar nicht wirklich gibt. Und trotzdem lesen wir immer wieder überall davon – in allererster Linie in Form von Beziehungstipps frei nach dem Motto: Du musst Dich erst selbst lieben, bevor Du jemanden anderes lieben kannst. Ein anderer Impuls könnte sein: Jaja, immer geht es nur um uns selbst, am Ende sind wir alle Egoisten. Wir sind sowieso schon egoistisch zu genug. Und es kann doch nicht sein, dass wir unser Leben nur auf uns selbst ausrichten.

Für beides gilt: Ja, Selbstliebe existiert und nein, Selbstliebe ist kein Mythos. Und es hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Egoismus, Selbstverliebtheit oder Ichbezogenheit zu tun. Es geht ganz im Gegenteil um etwas ganz anderes, nach meinem Verständnis dieser Begriffe schließen sich Selbstliebe und Egoismus sogar aus: Jemand, der sich selbst liebt, kann kein Egoist sein und ein Egoist liebt sich in der Regel nicht selbst. 

Die Liebe in Dir

Doch worum geht es stattdessen? Manchmal begegnen wir Menschen, bei denen wir sofort spüren, dass sie mit sich im Reinen sind, dass sie in der Balance sind. Das sind Menschen, die strahlen von innen nach außen. Und das hat rein gar nichts mit ihrem Aussehen zu tun. Es hat auch nichts mit dem zu tun, was sie machen oder wer sie bezogen auf Status und Beruf sind. Es sind Menschen, die wollen nicht gefallen, sondern sie sind echt und authentisch und sie genügen sich selbst. Es sind die Menschen, die sich selber lieben – wir können Selbstliebe also bei anderen sehen und wahrnehmen. 

Anders formuliert: Wenn Du es schaffst, Dich selbst zu lieben, dann strahlst Du das aus. Je mehr Du Dich selbst liebst, desto sanfter, freundlicher und liebevoller gehst Du mit Dir selber um, und auch mit anderen: Ärger, Wut und andere negative Gefühle lässt Du nicht an ihnen aus. Du nimmst diese Gefühle als Teil von Dir selbst an, fühlst sie und haderst deshalb nicht mit Dir, sondern wächst daran. Wer sich liebt, hat ganz, ganz viel zu geben, weil er viel Fülle in sich trägt, sich richtig und vollständig fühlt und viel davon nach außen geben kann. 

Finde Dich richtig, so wie Du bist

Wenn wir verstehen möchten, wie wir uns selbst lieben können, dann dürfen wir die Liebe an sich verstehen: die echte, bedingungslose Liebe zu einem anderen Menschen. Diese Liebe hat nichts mit Abhängigkeiten zu tun, nichts mit Forderungen. Nichts damit, dass die andere Person irgendetwas für uns tun muss, sondern diese echte Liebe bedeutet, sie zu sehen. Sie wahrzunehmen, sie zu erkennen, wie sie gemacht ist, was sie besonders und einzigartig macht und sie genau dafür wertzuschätzen. Sie richtig zu finden in ihrer ganz individuellen Art. 

Das heißt, wenn Du jetzt versuchen möchtest, Dich in gleicher Weise selbst zu lieben oder Dir Selbstliebe entgegenzubringen, dann ist es am allerwichtigsten, dass Du Dich als Erstes kennenlernst, also all Deine Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse. Es geht darum, wirklich hinzuhören, wirklich zuzuhören, wirklich wahrzunehmen, wer Du bist und was Dich ausmacht, wie Du funktionierst, was Dich einzigartig macht und was Du brauchst. Es geht um Aufmerksamkeit, die Du Dir selber schenkst. Weil wir leider dazu neigen, uns selbst zu vergessen, nicht so sehr hinzuschauen und unsere eigenen Bedürfnisse im Alltagstrubel ans allerletzte Ende zu setzen.

Ganz besonders dann, wenn Du Partner*in bist, Mutter bist, wenn Du einen anstrengenden Job hast oder Freund*innen, die Dich sehr brauchen – dann fällt es manchmal schwer zu fragen: Hey, was brauche eigentlich ich? Wie bin ich eigentlich gemacht? Was sind die Bedürfnisse, die ich hätte? Und eine ganz besondere Frage: Wer bin ich denn heute und hier? – sie zielt darauf ab, dass Du herausfindest, was Dir wichtig ist, was bedeutungsvoll für Dich ist, was die Dinge sind, für die Du morgens aufstehst. 

Stärke Dich selbst und mache Dir Komplimente

Jemanden anderes zu lieben bedeutet auch, voller Hingabe zu sein, voller Freundlichkeit und Sanftheit, also stets mit einem wohlwollenden Blick auf die andere Person zu schauen und ihr zu zeigen, wie wertvoll sie ist – und zwar so sehr, bis sie es auch selbst glaubt. Das heißt, man gibt ihr eine Art Vorschusslob und stärkt sie in ihren Stärken. Auf die Selbstliebe übertragen bedeutet das ganz simpel: Bitte fang an, freundlich mit Dir selbst zu sprechen. 

Es gibt so viele Menschen, die mit sich selbst negativ sprechen wie Ich bin so blöd, ich bin so doof, das war ja klar, typisch, ich kann das nicht, ich kann gar nichts … Oft sind das tief verinnerlichte Gedanken, die wir in der Kindheit oder in jungen Jahren mitbekommen haben, wie zum Beispiel: Ich bin nicht gut genug. Ich bin nicht richtig. Ich mache alles falsch. Ich muss perfekt sein. Solche Sätze haben eine große Kraft und doch ist es im Grund genommen nur eine Entscheidung, diese Gedanken hinter Dir zu lassen: Du kannst anfangen, anders mit Dir selbst zu sprechen, andere Formulierungen zu wählen, wenn Du von Dir redest oder mit Dir. Achte darauf, dass Du nichts Negatives mehr zu Dir sagst.

In der Liebesbeziehung zu Dir selbst ist das nichts anderes als in der Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen, Deinem Kind oder einer Freund*in: Du kannst nicht den ganzen Tag negativ zu ihr sprechen, dann wird die andere Person nie glauben, dass sie liebenswert ist, sie wird nie ihren Wert spüren, nie das Gefühl haben, richtig zu sein und Dir etwas zu bedeuten.

Wenn Du das bisher nicht tust, klingt das vielleicht erstmal irritierend. Es funktioniert dennoch, sobald Du beginnst, wohlwollend und sanft auf Dich zu schauen. Achte auf das, was Du gut machst und sag das laut. Im Zweifel nur, wenn niemand im Raum ist. Du darfst sagen. Wow, das hab ich gut gemacht! oder Das war heute ein toller Tag mit mir! Am besten ist es, wenn Du dabei von ich und mir sprichst, anstatt Dich selbst mit Du anzusprechen. Ich bin toll. Ich bin genug. Ich hab das geschafft. Ich kann alles schaffen. Ich bin stolz auf mich.

Beginne Deinen Fokus zu verschieben. Es ist ein bisschen wie ein Muskel, den Du trainierst. Wenn Du startest mit einer neuen Sportart wirst Du auch nicht am allerersten Tag das Ziel erreichen können, sondern es geht darum, die Muskeln zu trainieren und immer und immer wieder die gleiche Bewegung zu machen, bis es Dir leicht fällt. Bis die Kraft da ist, genug Training da war. Das heißt, verschiebe Deinen Fokus auf das Positive, auf das, was Du geschafft hast und auf das, was Du täglich leistest. Jeden einzelnen Tag. 

Ich mache mit meinen Klientinnen immer eine Übung, wo sie sich in der Vergangenheit erinnern sollen. Was haben sie schon geschafft in ihrem Leben? Und es ist faszinierend, dass den allermeisten Frauen nur ganz wenig einfällt, weil sie viel zu groß denken oder viel zu kompliziert, weil sie denken, es geht hier um große Meilensteine im beruflichen Lebenslauf. Doch nein, es geht um die Kleinigkeiten an jedem noch so unscheinbaren Tag. Du hast Kinder? Du hast eine lange Partnerschaft? Du hast Eltern, Geschwister, Verwandte? Du hast einen Beruf? Du hast tolle Freunde? – Dann machst Du jeden Tag etwas, damit diese Beziehungen gelingen, das Konflikte gelöst werden, Kommunikation möglich ist. Du machst einfach jeden, jeden Tag Dinge, die stolz machen dürfen, die Dich freuen dürfen, die Dich zum Lächeln bringen dürfen.

Und es ist wichtig, dass Du da hinschaust. Dass Du anfängst, Dich zu loben, und ganz dringend aufhörst, Dich bei Dir selbst nur auf Fehler und Unzulänglichkeiten zu konzentrieren. Das machst Du bei Freund*innen nicht, bei der Partner*in nicht und auch nicht bei Deinen Kindern. Hoffe ich zumindest … Selbstliebe bedeutet, dass Du liebevoll mit Dir sprichst und natürlich auch von Dir denkst. Es beginnt ja mit Gedanken und äussert sich dann in Worten und Formulierungen und Handlungen.

Nimm die positive Zukunft voraus

Jemanden anderes zu lieben bedeutet auch, ihn größer zu sehen, als er sich selbst vielleicht sieht. Also ihn positiv zu spiegeln und ihm Resonanz zu geben, in Kontakt mit ihm zu sein, ihm zuzuhören und das Beste zu wollen für ihn und auch das Beste in ihm zu sehen. Jeder Mensch strauchelt mal, jeder Mensch zweifelt mal und wenn Du Deine Partner*in liebst, dann beginnst Du dann nicht, ihr zuzustimmen, sondern Du versuchst ihren Fokus zu lenken auf das Positive und sagen: Hey, das schaffst Du! Du ermutigt Deine Partner*in dazu, sich zu entwickeln. 

In der Selbstliebe ist das genauso: Es geht darum, dass Du von Dir selber als einer wundervollen Person ausgehst, einer richtigen Person, die genug ist und die Dinge schaffen kann, die alle Ziele erreichen kann, die sie sich wünscht. Das heißt, wenn Du in der Selbstliebe bist, ermutigt Du Dich und Du glaubst an Dich.

Und das ist auch wieder eine Frage der Formulierung und der Sprache. Sprich aus, wie gut Du Dich findest, und gehe davon aus, dass das stimmt. Das ist eine ganz, ganz wichtige Annahme – übrigens genauso wahr oder unwahr wie die Annahme, etwas nicht zu können … Oft weißt Du es nicht, Du vermutest es nur und Du darfst Dich dazu entscheiden, ab sofort positive Bilder von Dir in die Zukunft zu malen. Also wenn Du schon annimmst zu wissen, was kommt, darfst Du auch vom Positiven ausgehen.

Du darfst davon ausgehen, dass Du alles verdient hast, was Du Dir wünscht. Dass Du viel mehr bist und viel mehr in Dir steckt, als Du im Moment vielleicht glaubst. 

Sorge gut für Dich

Jemanden zu lieben bedeutet auch, ihm Sicherheit und Geborgenheit zu geben, damit er wachsen und sich entwickeln kann. Ihn zu berühren, also körperlich, seelisch und mit dem Herzen und im Herzen. Also ist es auch ein wichtiger Punkt der Selbstliebe, dass Du gut auf Dich achtest, gut auf Deinen Körper achtest, gut auf Deine Seele achtest, gut auf Dein Herz achtest. Dass Du gut für Dich sorgst und dass Du Deinen Bedürfnissen eine hohe Priorität gibst.

Das heißt: Bitte versorge Dich gut, ernähre Dich gesund, bewege Dich, berühre Dich, geh mit Deinem Körper in einen friedlichen Kontakt. Beginne ihn anzunehmen als Dein Zuhause und hör auf zu gucken, wie er sich verbessern muss oder was nicht okay ist an ihm – er ist okay. Dein Körper macht den ganzen Tag wunderbare Dinge für Dich. Gut für ihn zu sorgen und in Deine Kraft zu kommen, ist die beste Basis, um Dich liebevoll gestärkt zu fühlen. Auch für Deine Seele ist das wichtig.

Trau Dich zu sagen, was Du brauchst, trau Dich zu sagen, was Du möchtest oder was Du nicht möchtest. Trau Dich, Deine eigenen Grenzen zu sehen und auch wahrzunehmen und auch auszusprechen. 

Es geht da nicht um Unfreundlichkeit, sondern darum zu sagen: Stopp, hier ist gerade Schluss für mich, ich brauche jetzt hier eine Pause oder ich brauche eine Veränderung.

Deine Stimme und das, was Du denkst und fühlst, ist genauso wichtig und richtig wie all die Gefühle und Meinungen der Menschen um Dich herum. Wenn Du bisher Schwierigkeiten hattest, Dich selbst zu lieben, dann liegt das meistens daran, dass Du Dich sehr zurück nimmst, dass Du Dich eher unterordnest und Dich nicht sicher damit fühlst, Deine eigenen Grenzen zu setzen. Dabei ist es so wichtig, dass Du weißt: Wo höre ich auf und wo fange ich an? Also was sind die Dinge, die ich dringend brauche, damit es mir gut geht? Und welche Dinge dürfen nicht in meiner Umgebung sein oder passieren? Lerne Dich gut genug kennen, damit Du aus einer kraftvollen Position heraus entscheiden kannst, was gut für Dich ist und was nicht. Und dann kannst Du aus einer kraftvollen Position heraus für andere Menschen da sein – und nicht aus einer Position der Schwäche und der Unterordnung.

Es geht auch ohne fremdes Lob

Wenn Du Dich selber liebst, dann lernst Du allein für Dich und mit Dir genug zu sein. Du brauchst dann nicht mehr ständig die Anerkennung und das Lob von außen, sondern Du gewinnst emotionale Freiheit. Menschen, die sich selber wenig Wert geben, also wenig Liebe entgegenbringen, wenig Selbstvertrauen und Selbstwert fühlen, sind meistens sehr im Außen und darauf konzentriert, dass eine Andere*r ihnen dieses Gefühl gibt. Häufig soll diese Aufgabe die Familie oder Freund*innen übernehmen, meistens die Partner*in, immer mal wieder auch die eigenen Kinder. 

Diese Bestätigung kannst Du Dir selbst geben, wenn Du Dich selber liebst, also weißt, wer Du bist. Wenn Du weißt, wie Du funktionierst. Du Deine Bedürfnisse kennst. Du es schaffst, freundlich und liebevoll mit Dir selbst zu sprechen und Dir Komplimente zu machen und Dich zu loben für das, was Du tust. Du ganz fest für Dich annimmst, dass Du genug bist. Und Du alles verdient hast, was Du brauchst und Dir wünschst. Und wenn Du gut auf Dich achtest und gut für Dich und Deinen Körper sorgst, dann bist Du in einer kraftvollen und unabhängigen Position und brauchst nicht das Lob anderer Menschen.

Das Schöne daran: Du wirst viele, viele Dinge, die um Dich herum passieren, nicht mehr so persönlich nehmen. Wenn irgendjemand sich merkwürdig verhält, dann weißt Du: Das hat jetzt nichts mit mir zu tun oder ändert nichts an meinem Wert. Stattdessen kannst Du liebevoll reagieren und Dir sagen: Okay, der strauchelt grade, der hat gerade Zweifel, der hat gerade ein Thema mit sich. Der weiß vielleicht auch nicht weiter und ich kann etwas geben, meine Liebe, Zuneigung, Wertschätzung. 

Wenn Du andererseits die ganze Zeit Angst hast, dass jemand, der sich merkwürdig verhält, Dir etwas wegnimmt, weil Du seine Aufmerksamkeit und Anerkennung so dringend bauchst – dann wirst Du eher negativ reagieren und Dich abgelehnt fühlen. Beziehungen werden sehr stark belastet, wenn beide die ganze Zeit nur auf den anderen achten und hoffen, dass die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden durch die Andere*n. Nein, das ist nicht die Aufgabe der anderen Person, sondern das darfst Du selber tun.  

Die Liebe zu Dir ist die leichteste

Selbstliebe ist die Basis für ein glückliches und freies und selbstbestimmtes und sehr, sehr liebevolles Leben. Sie spiegelt stets die Art, wie wir andere Menschen lieben. Denn es ist dieselbe Liebe zwischen mir und mir wie zwischen Dir und mir. Sie ist wertschätzend. Sie ist freundlich. Sie will, dass es dem anderen gut geht. 

Und uns selbst zu lieben ist leicht, weil wir uns am allerbesten kennenlernen können. Wenn wir genau hinhören, wenn Du genau zuhörst, dann sagen Dir Dein Körper und Deine Seele und Dein Herz in jedem Augenblick, was sie brauchen. Du spürst Deine Bedürfnisse und Du kennst Dich selbst am besten. Das heißt, eigentlich ist Selbstliebe so viel einfacher als die Liebe zu einem anderen Menschen … 

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