Perspektiven wechseln. So entsteht Empathie.

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Um schnell aus akuten Krisen zu kommen, lohnt es sich immer, einen Perspektivwechsel zu versuchen. Das heißt, dass wir nicht nur unsere eigene Perspektive einnehmen, sondern auch die Perspektiven von anderen Menschen. Denn genau dadurch entsteht Empathie.

Empathie ist gleichzusetzen mit Einfühlungsvermögen und auch mit Mitgefühl für andere Lebewesen. Also es ist die Fähigkeit, sich in Situationen, Umstände und Gegebenheiten hineinzufühlen und dadurch auch verständnisvoller reagieren zu können. Es geht also darum, die Andere da zu sehen, wo sie steht. Und nicht nur eine eigene Perspektive einzunehmen. Empathisch zu sein, bedeutet zu verstehen, dass jede Person in jedem Augenblick nach ihrer besten Option handelt. Sie hat immer ihre Gründe, ihre Sorgen, ihre Erfahrungen, ihre Ängste …

Jede*r tut genau das, was sie maximal tun kann. Wenn Du in einem Konflikt mit einer anderen Person bist, dann darfst Du davon ausgehen, dass die Andere nichts Besseres kann als das, was sie tut. Aus unserer eigenen Perspektive neigen wir dazu, das Verhalten der Anderen als falsch, nicht normal, verletzend, störend zu bewerten – kurz: dass es nicht so sein darf.

Bei uns selbst würden wir dasselbe Verhalten anders bewerten, da wir unsere eigenen Grenzen spüren und wissen: Okay, ich kann nicht anders. Ich weiß nicht, wie ich es besser machen soll. Jede*r, die schon mal in einem richtigen Konflikt war, in einer ganz hoffnungslosen Situation, die erinnert sich an ihr eigenes Limit und das Gefühl: Ich weiß nicht, wie ich das jetzt lösen soll; ich kann nur so. Bei Dir selbst weißt Du das und dann ist das „normal“, nicht wahr? 

Deine Sicht ist nur eine von vielen

Zu begreifen, dass die eigene Sicht auf die Dinge nur eine einzige kleine Sicht darstellt, macht vielleicht keinen Spaß – ist aber der Schlüssel zu einer empathischen, einfühlsamen Weltsicht. Sicher ist es nicht schön, sich das einzugestehen, weil wir ja gerne recht haben wollen mit dem, was wir denken und fühlen. Doch es macht auch sehr viel gelassener: Denn die Andere hat genauso recht wie Du und die Andere ist genauso in ihrer Situation gefangen wie Du das bist. Und sobald die Andere mit ihrem genauso richtig liegt, bedeutet das für Dich selbst, dass Du gar nicht mehr alles können und wissen und richtig machen musst … – das ist sehr entlastend. Wärst Du tatsächlich das Maß der Dinge, dann müsstest Du gewissenhaft dafür sorgen, dass Du Dich niemals irrst, was ich mir ganz schön anstrengend vorstelle …

Stattdessen reicht es, wenn Du bei Dir bist und sagst: Gut, ich gebe das Beste, was ich kann, ich konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann. Ich versuche, eine bestmögliche Lösung zu finden. Für uns alle. Und Du darfst Dich darauf konzentrieren, Empathie und Mitgefühl zu entwickeln und der Anderen ihre Sicht der Dinge zu lassen, und sie im besten Fall sogar nachzufühlen. 

Auch das Gefühl, durch das Verhalten einer Person persönlich angegriffen zu werden, fällt eigentlich weg – oder wird doch zumindest sehr abgemildert. Denn die Andere tut das nicht, um Dir weh zu tun, sondern sie tut das Beste, was sie tun kann – und tut Dir dabei leider auch weh. Mit großer Wahrscheinlichkeit, ohne es zu wollen. Es gibt nicht so viele bösartige, sadistische, gemeine Menschen, wie unsere Gefühlsreaktionen vielleicht manchmal vermuten lassen. Die allermeisten versuchen einfach nur, mit dem eigenen Thema klar zu kommen. Sie versuchen einfach nur, durch ihr eigenes Leben zu kommen, durch eigene Herausforderungen, eigene Probleme, ihre eigene Situation. Dabei tun oder sagen sie vielleicht Dinge, die Du als verletzend bewerten könntest, aber nicht musst. Sie handeln nach ihrer besten Option, genauso wie Du selbst es tust – denn auch Du hast schon Menschen wehgetan. 

Ganz sicher hast Du Dinge getan oder Entscheidungen getroffen, die andere Menschen verletzt haben. Vielleicht hast Du das nicht bemerkt, passiert ist es dennoch. Vielleicht hast Du es nicht so hoch aufgehängt und zu Dir gesagt: Na ja, es ist ja nicht so schlimm, doch das kannst Du nicht beurteilen. Oder vielleicht hast Du es sogar in Kauf genommen … Das heißt, uns allen passiert sowas und wir handeln manchmal so, weil wir keine andere Wahl haben, weil wir wissen, das ist ganz genau jetzt unter den gegebenen Umständen unsere allerbeste Option.

Agiere bewusst und Respekt entsteht

Wenn es Dir gelingt, in echte Empathie und in echtes Mitgefühl zu kommen, dann entsteht Respekt. Es entsteht der Respekt, den wir brauchen, um mit anderen Menschen nicht mehr über Gefühle zu streiten oder sie von unserer Wahrnehmung überzeugen zu wollen. Wir müssen nicht mehr so sehr kämpfen, sondern können dann über Inhalte sprechen. Wir können dann diskutieren über das, worum es eigentlich geht, über das eigentliche Thema. Statt den anderen verändern zu wollen, überzeugen zu wollen, überfahren zu wollen und zu wollen, dass er ganz dringend so ist, wie wir es gern hätten. Oder wie es für uns am besten ist: Das ist nämlich ganz oft der Wunsch bei einem Streit – wenn auch unbewusst. 

Es ist wichtig, dass Du Dir bewusst machst: Du darfst den anderen nicht verändern wollen. Das funktioniert nicht. Du willst doch auch nicht verändert werden. Im echten Mitgefühl ist kein Platz für normaler oder richtiger oder wichtiger. Schon Sätze wie Das, was die Person tut, ist doch nicht normal! sind so übergriffig und stülpen der Anderen Deine ganz subjektive, persönliche Sichtweise über. 

Im echten Mitgefühl stehen die Dinge nebeneinander und der Austausch findet auf Augenhöhe statt, dann können wir darüber reden: Hey, das was Du machst, tut mir weh. Und dann sagt die Andere: Das wollte ich nicht, ich wollte dies erreichen oder jenes war mein Beweggrund. Wir hören zu und sprechen über die Sachen, um die es geht, anstatt emotionale Wallungen und schnelle Reaktionen auszutauschen.

Wie wertvoll das ist, weiß jeder, der es mal versucht hat. Deshalb möchte ich Dir ans Herz legen: Hör auf zu kämpfen für Deine Sicht der Dinge. Hör auf, andere Menschen überzeugen zu wollen und hör ihnen stattdessen lieber zu. Frag nach. Sei aufmerksam und beginne zu verstehen, was die andere Person wirklich bewegt. Was sind wirklich die Gründe für ihr Verhalten? Also ihre Gründe, nicht Deine. Ändere die Perspektive.

Stell Dir vor, Du wärst auch die Andere

Der Einfachheit halber gehe ich von zwei Personen aus, die irgendeine Form von Konflikt haben. Sofort entstehen drei Positionen: Erstens die Position von einem selbst, also ich, meine Position. Es gibt zweitens die Position von der Anderen. Und es gibt drittens eine Meta-Position, die außenstehend oder im Überblick die beiden Beteiligten betrachten kann. 

Wenn wir uns verletzt und belastet fühlen, dann hängen wir ganz, ganz oft in der ersten Position fest, das heißt, wir sind nur bei uns, wir denken nur darüber nach, wie weh das tut, wie unfair das ist, wie gemein das ist, wie unnötig das ist. Und wir fühlen und sehen nur diese eigene Perspektive. Das ist ganz besonders dann der Fall, wenn wir akut viel Negatives fühlen müssen. 

Gerade in solchen Momenten lade ich Dich ein, bewusst und gezielt, diese Position zu verlassen und die Position des Gegenübers einzunehmen. Also die der anderen Person: Was fühlt die Andere? Wie geht es ihm wirklich? Was hat sie für Gründe? Was hat sie für Gedanken? Was hat sie für Ziele, Ideen, Motivationen? Und ganz wichtig: Was hat sie für Erfahrungen gemacht? Wie ist die ganze Situation dadurch für sie? 

Es wird richtig interessant, wenn es Dir gelingt, diese Position wirklich einzunehmen, Dich richtig einzufühlen mit Deinem ganzen Körper. Fällt ir das nicht so leicht, dann kannst Du nachfragen: Hey, was macht das gerade mit Dir? oder Was hast Du Dir dabei gedacht? Was steht da dahinter? Was möchtest Du damit erreichen? Manchmal antwortet die Person. Gerade bei nahestehenden Personen wie Partner*in, Kindern, Eltern, Freund*innen lohnt es sich wirklich nachzufragen. Und dann der Ursache des Konflikts gemeinsam auf den Grund zu gehen.

Du kannst es der Anderen erleichtern, indem Du Dich zuerst öffnest. Zeig Dich verletzlich, zeig Dich nahbar, zeig Dich weich und gute Gespräche werden möglich. Wenn Du sagst: Das macht gerade ganz viel mit mir. Dieser Konflikt, der belastet mich so sehr auf der und der Ebene, weil das und das habe ich nämlich schon mal erlebt und das und das macht es mit mir – dann erzeugst Du Vertrauen. Auf dieser vertrauensvollen Ebene kann sich dann wiederum die Andere öffnen und kann Deine Fragen vielleicht beantworten. Und Du kannst wirklich verstehen, wie es ihr geht. Du nimmst damit die zweite Position ein.

Rein in die dritte Position und raus aus dem Konflikt

Genauso interessant ist die dritte Position, wenn Du es schaffst, aus dem Konflikt herauszutreten in eine objektive Position. Du guckst von oben oder von der Seite auf die beiden Personen, also auf Dich und die andere Person und schaust Dir an, was haben die beiden hier eigentlich für einen Konflikt?

Also da darfst Du Dich total dissoziieren, Du bist nicht mehr Teil des Konflikts, Du guckst wirklich von außen drauf wie so ein Zuschauer und dann kannst Du sagen: Okay, was haben die hier eigentlich? Worum geht es? Was ist das Thema? Was haben die zwei da überhaupt miteinander, worum geht es wirklich? Geht es um das, worüber die sich streiten oder geht es um irgendwas, was sie schon seit Jahren mit sich rumschleppen? Was ist das Thema?

Plötzlich kannst Du auf einer ganz anderen Ebene Antworten finden, indem Du weiter fragst: Was können die beiden tun? Jede*r für sich, für die Andere und gemeinsam, um sich wieder besser zu fühlen? Also was brauchen die beiden? 

Sobald es gelingt, diese drei Positionen zu wechseln, dann kriegt der ganze Konflikt eine andere Wertigkeit. Du bist nämlich dann in der Lage zu sagen: So geht es mir und ich brauche dies – und so geht es der anderen Person und sie braucht jetzt jenes – und das brauchen wir beide.

Spring über Deinen (kleinen) Schatten und hör auf zu kämpfen. Hör auf, dafür zu kämpfen, dass Du recht hast. Sei empathisch, sei im Gefühl, im Mitgefühl, bei der Anderen. Und bei euch beiden, also habe auch Mitgefühl für Dich selbst. Denn das ist das Schöne an der dritten Position: Da geht es auch um Dich. Du schaust auch Dich von außen an und erkennst Deine wichtigen Bedürfnisse.

Ich selbst konnte zum Beispiel früher schlimme Konflikte nicht verlassen, obwohl ich wusste und gespürt habe, dass ich eigentlich jetzt eine Pause brauche. Ich musste einmal an die Luft, ich musste mich der Situation entziehen. Ich brauchte einmal Durchatmen, um wieder klar denken zu können. Aus der dritten Position heraus wird es leichter, dieses dringende Bedürfnis wahrzunehmen. 

Handele so, dass alle wahrgenommen werden

Voller Mitgefühl und Einfühlungsvermögen schaust Du auf euch und kannst jetzt anders handeln, als wenn Du nur in Deiner eigenen Position festhängst. Wie genau Du handelst, ist selbstverständlich ein bisschen davon abhängig, mit wem Du den Konflikt hast. Zum Beispiel im Konflikt mit Deiner Partner*in könnt ihr gemeinsam besprechen, was jeder braucht und was jetzt das beste für euch ist. In einem Konflikt zum Beispiel mit Deinem Chef ist so ein persönliches Gespräch vielleicht nicht möglich.

In solchen Fällen machst Du den Perspektivwechsel nicht im Gespräch, sondern für Dich allein. Geh auch dann die Positionen durch: Wir geht es mir? Wie geht es der anderen Person, was möchte sie, welche Themen liegen dort? Und was ist der eigentliche Konflikt, wenn ich ihn von außen betrachte? Und dann handelst Du unter Berücksichtigung all dieser Blickwinkel.

Du wirst verständnisvoller reagieren. Und je häufiger Du mutig die Perspektiven wechselt und das auch im Kleinen übst, desto gelassener wirst Du mit Deinen eigenen wie auch mit den Gefühlen anderer umgehen können. Du kannst Konflikte entspannter angehen und wirst viel, viel, viel flexibler im Denken und in der Beurteilung von Situationen.

Du wirst empathischer und kannst ganz bereitwillig Kompromisse eingehen, weil Du weißt, der Kompromis löst jetzt etwas für uns beide auf, für uns alle. Solange Du daran festhältst, dass Du gewinnen musst im Konflikt, solange Du der Meinung bist, dass Deine Sicht der Dinge wichtiger ist als die der Anderen, kannst Du keine Kompromisse eingehen. Das käme einem Verlieren gleich – und dadurch wird jeder Konflikt zu einer Bedrohung. Lass diesen Ansatz los und öffne Dich dem Perspektivwechsel. Der eröffnet Dir einen Blick auf die Situation, die im schlimmsten Fall bedeutet: Okay, das können wir jetzt gerade nicht lösen, ist aber nicht so schlimm. Nichts ist bedrohlich, nichts ist dramatisch. 

Und Du? Du bist einfach nur entspannter. Mit allem. Mit Dir selbst, mit anderen Menschen, mit anderen Perspektiven. Traue der anderen Person genauso viel zu wie Dir selbst: Sie weiß Bescheid über sich und Du darfst sie kennenlernen. Sei so empathisch wie möglich.

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